Hallo, Ihr Lieben jenseits des Meeres – und auch ihr, hier
auf der Insel, erinnert ihr euch an meine letzten Flaschenposts? Ich hatte euch
von meiner Gitarre und ihrer neuen Saite erzählt. Die g-Saite ließ sich nur mit
viel Schmeichelei und Überredungskunst aus der gemütlichen Tüte locken und dann
endlich an richtiger Stelle aufspannen. Das könnt ihr gern hier und hier noch
mal nachlesen.
Jetzt hatte die Saite endlich ihren Platz gefunden –
eigentlich sollte jetzt alles gut sein. Eigentlich sollte meine Gitarre jetzt bereit
zum Musizieren sein. Aber weit gefehlt: meine Saite hat noch eine Weisheit für
mich.
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Meine Gitarre mit ihren 6 Saiten fertig und bereit zum Musizieren? |
Das ist passiert:
Nachdem ich endlich die g-Saite aufziehen durfte, habe ich sie natürlich gestimmt und ein wenig darauf gespielt. Aber wie das im Leben oft so kommt: es kamen andere Verpflichtungen dazwischen, und meine Gitarre musste einige Tage ungenutzt in der Ecke stehen. Als ich dann wieder spielen wollte, klang es furchtbar! Wirklich! Trotz der niegelnagelneuen g-Saite klang es grässlich.
Meine g-Saite war verzweifelt:
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Meine g-Saite in ganz neuem Zustand - so ist sie quasi "geboren" |
Saite: Siehst, du, ich habe es dir ja gesagt! Ich bin
nicht gut genug für deine Gitarre! Hör doch mal, ich passe gar nicht zu dem Gesamtklang!
Du hättest mich doch lieber als Basssaite aufspannen sollen. Das wäre besser
gewesen. Oder ich hätte einfach gleich in meiner Tüte bleiben sollen.
Monika: Ja, du hast recht, es klingt grässlich. Und
ja, es liegt an dir. Aber es ist wirklich nicht deine eigene Schuld.
Saite: Aber wenn es doch an mir liegt. Ich passe hier
einfach nicht hin, ich will zurück in meine Tüte.
Monika: Du weißt genau, dass kein Weg zurück in die Tüte
führt. Du bist jetzt nun mal Teil meiner Gitarre – und da wirst du auch deine
Fähigkeiten voll einsetzen.
Saite: Aber es klingt grässlich. Ich kann es nicht!
Monika: Warte mal ab. Ich werde dich mal stimmen.
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Am liebsten würde meine Saite wieder in ihren Urzustand zurückkehren |
Und das tat ich dann auch. Es braucht immer ein wenig Geduld
und Zeit, bis sich eine neue Saite an die Gitarre gewöhnt hat. Sie verstimmt zu
Beginn noch sehr schnell, vor allem, wenn sie nicht gespielt wird. Aber wenn
man ein wenig Geduld aufwendet und sich die Mühe macht, die neue Saite
einzuspielen, dann wird man mit wunderbaren schönen Klängen belohnt.
Nach einigen Nachstimmungen war dann auch meine g-Saite
wieder mit ihrem Platz und ihrer Aufgabe zufrieden. Und ich konnte musizieren.
Was ich davon lerne?
Meine g-Saite war als g-Saite gemacht und musste ihren Platz auf irgendeiner Gitarre als g-Saite finden. Niemals hätte ich sie an anderer Stelle oder auf einem anderen Instrument einsetzen können. Es war von Anfang an ihre Bestimmung, als g-Saite zu musizieren. Und das kann sie übrigens ziemlich gut!
Kennt ihr das Gleichnis von den anvertrauten Talenten?
Jesus erzählt die Geschichte seinen Jüngern, ihr könnt sie
nachlesen im Matthäus-Evangelium, Kapitel 25 - ich fasse das mal kurz zusammen:
Es war ein Mensch, der wollte verreisen. Vorher rief er
seine 3 Knechte zusammen und vertraute ihnen sein Vermögen an. Jedem von ihnen
gab er einen Teil seines Vermögens – jedem nach seiner Tüchtigkeit. Einer der
Knechte bekam 5 Zentner Silber, einer 2 und der dritte Knecht bekam immerhin
noch einen Zentner Silber.
Was hier in der Luther-Bibel mit „Zentner“ übersetzt worden ist, heißt im Griechischen „talaton“. Talaton bedeutet Waage oder Gewicht und ist eine antike Gewichtseinheit. Dieses Wort wurde in der Antike auch als Währung benutzt, indem man das Gewicht mit Silber aufgewogen hat. Für ein Talent Silber konnte man in der Antike z.B. ein normales Segelschiff kaufen – mit anderen Worten: es ist eine große Summe Geld mit einer enormen Kaufkraft. Wer mit diesen Talenten Silber gut wirtschaftet, der kann leicht einen großen Reichtum ansammeln.
Das taten denn die Knechte auch mit ihren anvertrauten Talenten. Der erste, der fünf Talente oder Zentner Silber hatte, der handelte mit ihnen und gewann noch fünf weitere hinzu. Der zweite hatte „nur“ zwei Talente – aber auch er handelte damit und konnte zwei weitere Talente Silber gewinnen. Der dritte aber, der „nur“ ein Talent erhalten hatte, der wollte auf Nummer Sicher gehen und hat seinen Silberschatz vergraben, damit er ihm nicht gestohlen wird.
Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte wieder und
forderte Rechenschaft von ihnen. Die beiden ersten Knechte mit den fünf und
zwei Talenten konnten ihrem Herrn einen positiven Bericht abliefern – und wurden
denn auch gelobt und belohnt. Denn der Herr sagte zu ihnen: Recht so, ihr seid
über wenigem treu gewesen, ich will euch über viel setzen!
Aber der dritte, der sein Talent vergraben hatte, der musste
seinem Herrn nun gestehen, dass er einfach nur darauf aufgepasst hat. Er sagte:
Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht gesät
hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ging
hin und verbarg deinen Zentner Silber in der Erde. Siehe, da hast du das Deine.
Sein Herr aber antwortete und sprach: Du böser und fauler
Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe und einsammle, wo ich
nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen
sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit
Zinsen. Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat.
Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber
nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Und den unnützen Knecht
werft hinaus in die äußerste Finsternis, da wird sein Heulen und Zähneklappern.
Huh, was für ein unschönes Ende! Mir tut der arme Knecht leid. Ich kann mir gut vorstellen, wie er zu den anderen beiden geschielt hat, und gesehen hat, wie die beiden ihr Vermögen vermehrten. Und dann hat er sich verglichen – er hatte ja viel weniger zur Verfügung als die anderen. Und schon war er wie gelähmt. Wer sich mit anderen vergleicht, der ist irgendwie nicht mehr in der Lage, sein Talent einzusetzen. Die anderen haben immer mehr und können immer mehr, als man selbst. Also hat er es versteckt. Aber in dem Versteck konnte es sich gar nicht entwickeln. Es wurde nicht genutzt und blieb daher in dem Zustand, wie er es bekommen hatte. Die anderen beiden Knechte haben ihre Talente genutzt und eingesetzt und immer weiter vervollkommnet. Der Erfolg gab den beiden am Ende recht. Obwohl: es gehört auch ein bisschen Mut dazu, das anvertraute Gut unternehmerisch einzusetzen. Man hätte es auch verlieren können…
Aber so gar nichts unternehmen?
Das war das Schicksal meiner Gitarrensaite: sie wurde
eingespannt und dann nicht genutzt. Damit konnte sie ihre Fähigkeiten nicht
entfalten. Irgendwann hätte sie Rost angesetzt und ab dann überhaupt keinen Ton
mehr hervorgebracht. Ihr Talent zum Klingen wäre verkümmert – wie der Zentner
Silber, der in der Erde schlummert und niemandem nützt.
Mich stellt diese Geschichte in Frage:
ich frage mich: was ist eigentlich mein Talent? Was habe ich
mitbekommen durch Geburt und Erziehung? Habe ich meine Fähigkeiten wirklich gut
eingesetzt – oder ist da was ausbaufähig? Ich bin in einem Alter, wo man die
ersten Früchte eines Lebens ernten darf. Das ist schön. Es ist schön, zu sehen,
dass junge Menschen von meiner Arbeit in der Urlauberseelsorge so begeistert
sind, dass sie bei mir ein Freiwilliges Jahr absolvieren wollen. Es ist schön, wenn
mir Urlauber von ihren Erlebnissen in unseren Veranstaltungen erzählen. Es ist
schön, wenn junge Familien in meine Veranstaltungen kommen, wo die Eltern schon
als Kinder bei mir waren. Das ist schön. Ich darf schon mal ein wenig ernten.
Auf der anderen Seite: durch Corona darf ich nicht machen,
was ich gut kann. Mir stellt sich die Frage: wo sind denn noch Talente, die ich
einsetzen kann? Was kann ich noch tun? Wie kann ich noch sein?
Meine Tochter hat mir von einer soziologischen Untersuchung erzählt, aus der hervorgeht, dass ungefähr ein Viertel unserer Bevölkerung nicht ganz zufrieden mit ihrem Job oder ihrem Leben sind. Wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren würden, sind sie sicher, einen besser zu ihnen passenden zu finden.
Wie ist das mit euch?
Haben eure Talente eine Chance, sich zu entfalten? Oder sind
sie vergraben, damit ihnen niemand schaden kann und niemand sie wegnimmt?
Vielleicht ist die Corona-Krise die große Chance, das
Ungenutzte in unserem Leben wieder auszubuddeln und damit zu handeln.
Ich komme noch mal auf meine Gitarre und ihre Saiten zurück: obwohl die g-Saite ihren richtigen Platz gefunden hatte, konnte sie sich nicht voll ausleben – und ihr Talent musste verkümmern. Es gehörte erst die stimmende Hand und das vergleichende Ohr der Gitarristin dazu, die Saite wieder auf Kurs zu bringen und ihren Einsatz zu ermöglichen. Erst dann konnte sie ihr Talent voll entfalten!
Ich wünsche mir – und euch, dass wir alle unsere Talente einsetzen können – zu unserem eigenen Wohl und Vergnügen – aber auch zum Wohle aller, die in unserer Umgebung sind!
Ich kann es auch „Neudeutsch“ sagen:
Use it or loose it!
In diesem Sinne: seid gegrüßt und gesegnet von
Eurer Monika |
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