Face-Time mit Gott?, so habe ich die Überschrift gewählt. Wer wünscht sich das nicht: Gott einmal zu sehen? Dieser verborgene geheimnisvolle Gott - er wirft uns so viele Fragen und Rätsel auf. Je mehr ich von ihm zu verstehen glaube, um so mehr scheint er sich zu entziehen. Immer neue Aspekte offenbaren sich, immer unverständlicher wird er, dieser Gott.
Einmal mit Gott von Angesicht zu Angesicht reden - hach, das wär doch schön, oder?
Vielleicht hätte ich dann mehr Argumente, wenn mich mal wieder jemand fragt: du glaubst an Gott? Hast du ihn denn schon mal gesehen?
Wenn mich jemand so fragt, habe ich immer das Gefühl, rückständig zu sein. Als ob ich hartnäckig an längst überholten Vorstellungen festhalte. In der Frage nach meinem Glauben höre ich ein "immer noch" mit: glaubst du etwa immer noch an Gott? - als ob der Glaube an Gott mit dem Glauben an einen Weihnachtsmann oder an die Zahnfee gleichzusetzen sei. Diese Vorstellungen legt man ja gewöhnlich im Laufe des Erwachsenwerdens ab. Ich bin schon erwachsen, immerhin schon fast 60 (!). Und ja, ich glaube "immer noch" an Gott. Und trotzdem: einmal sehen, statt nur glauben...
Mose, der bekannte Führer der Israeliten, hatte genau diesen Wunsch, den ich so gut nachvollziehen kann. Mose sprach zu dem Herrn: "Lass mich deine Herrlichkeit sehen." (2. Mose 33, 18). Ich kann mir gut vorstellen, dass es für Mose nicht einfach war, das Volk Israel aus Ägypten durch die Wüste zu führen mit nichts weiter als dem Wort eines unsichtbaren Gottes als Orientierung. Ständig murrten die Menschen, die lange Wanderung zerrte an den Nerven - ein ganzes Menschenleben lang sind sie auf dem Weg, ohne wirklich am Ziel anzukommen. Es kommen selbstverständlich Zweifel auf, ob alles richtig war, ob sich der Aufbruch gelohnt hat, ob Mose auch weiß, wohin es gehen soll - und diese Zweifel werden laut geäußert.
Hast du Gott schon mal gesehen?
Darauf gibt es keine Antwort. "Nein" wäre richtig - aber eben nicht ganz. Dass da irgendetwas ist, irgendwer, dass ich mich geführt fühle - wie kann ich das in Worte fassen? Ich kann verstehen, was Mose sich wünscht: Lass mich deine Herrlichkeit sehen!
Auf solche Fragen haben wir schnell eine Antwort: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben" - so wird der Zweifler Thomas von Jesus zunächst zurechtgewiesen, bevor ihm ein Ansehen und Fühlen erlaubt wird (Johannes 20). Mose mit seinen Zweifeln wird ebenfalls ernst genommen, denn Gott sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen den Namen des Herrn vor dir. (2. Mose 33, 19)
Das ist keine Ablehnung des verständlichen Wunsches, sondern Gott geht ein auf Moses Wünsche. Zunächst will er all seine Güte an Mose vorübergehen lassen.
Mein Gedankengang stoppt kurz. Was ist denn damit wieder gemeint? Kann sich Gott nicht einfach mal zeigen und damit ein für allemal die Zweifler und Spötter zum Schweigen bringen? Aber dann erinnere ich mich an Situationen, in denen ich gemerkt habe, dass ich nicht allein bin. Ich kann auf Spurensuche in meinem Leben gehen und hier und da den Finger Gottes entdecken, der mich beschützt, geführt, beeinflusst hat. Ich kann in meinem Leben Gutes entdecken, das ich mir nicht selbst erarbeitet habe, das mir geschenkt wurde.
Und schon verwandelt sich der drängende Wunsch nach einer Begegnung von Angesicht zu Angesicht mit Gott in ein dankbares Erinnern an besondere Momente, an Güte, an Schönheit. Wir können unser Leben nur rückwärts verstehen - so formuliert das Sören Kierkegaard - leben müssen wir es allerdings vorwärts. Manches erschließt sich eben erst im Rückblick als gut und sinnvoll. Manches allerdings auch erst mal nicht - was mein Gedankenkarussel wieder von vorne anspringen lässt. Könnte Gott nicht doch mal kurz von Angesicht zu Angesicht... eine kleine Face-Time sozusagen?
Gott ist mit Mose aber noch nicht fertig. Es geht weiter: "ich will ausrufen den Namen des Herrn vor dir."
Irgendwie und irgendwann haben wir den Namen Gottes mal gehört. Manche schon ganz früh in ihrem Leben, quasi mit der Muttermilch, andere erst später. Aber in unserer Gesellschaft stolpert man immer wieder über Spuren von Religiosität, und sei es auch nur in Form von wunderschönen Kirchen, die wir im Urlaub besuchen und deren Architektur und Ausstattung uns beeindruckt. Der Name Gottes wird ausgerufen vor uns - in Geschichten, die wir im Kindergottesdienst oder in Kindergarten und Schule hören, in Sprichwörtern, in Literatur, in Architektur, in Symbolik usw. Niemand kommt am Namen Gottes vorbei - auch nicht die Zweifler und die Spötter.
Was dann mit Mose geschieht, überrascht mich. Gott schlägt eine Art Versuchsanordnung vor, dass Mose ihn zwar nicht von Angesicht zu Angesicht sehen kann ("kein Mensch wird leben, der mich sieht"), aber immerhin darf Mose in einem geschützten Raum der Herrlichkeit Gottes hinterher sehen. Er darf ihn von hinten betrachten. In Bibeldeutsch heißt das so:
"Mein Angesicht kannst du nicht sehen, denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. Und der Herr sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen."
Übrigens hatte Mose nach diesem Erlebnis nicht mehr nötig, sich vor den Israeliten zu rechtfertigen, denn ohne dass er es wusste, zeigte sich ein Abglanz von Gottes Herrlichkeit als Strahlen auf seinem Gesicht (2. Mose 34, 29 f).
Ihr Lieben jenseits des Meeres, und auch ihr, hier auf der Insel: wie geht euch das mit dem Glauben? Mit dem Wunsch nach Face-Time mit Gott? Wo findet ihr Spuren von Gottes Güte und Echos seines Namens in eurem Leben?
Dass ihr fündig werdet bei der Spurensuche, das wünscht euch von Herzen
Monika |
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