Herzlich Willkommen auf meinem Blog

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Mittelbrücke auf Föhr - seit 2023 ist sie leider Geschichte

Donnerstag, 20. Februar 2025

Ein rotes Seil...

Hallo, Ihr Lieben jenseits des Meeres - und auch ihr, hier auf der Insel, in dieser Flaschenpost möchte ich mit euch ein paar Gedanken teilen, die mir während meiner Vorbereitungen auf diverse Andachten oder pädagogische Angebote in unserer Gemeinde gekommen sind.
Ich bin nämlich auf eine Geschichte gestoßen, die ich vermutlich schon mal gelesen hatte (ich habe die Bibel mindestens einmal komplett gelesen), aber ich  hatte diese Geschichte nicht mehr parat. 
Kennt ihr die Geschichte von Rahab?
Hier kommt der Bibeltext dazu:

Josua 2, 1-24:

Josua aber, der Sohn Nuns, sandte von Schiittim zwei Männer heimlich als Kundschafter aus und sagte ihnen: Geht hin, seht das Land an, auch Jericho.

Sie gingen hin und kamen in das Haus einer Hure, die hieß Rahab, und kehrten dort ein. Da wurde dem König von Jericho angesagt: Siehe, es sind in dieser Nacht Männer von den Israeliten hereingekommen, um das Land zu erkunden. Da sandte der König von Jericho zu Rahab und ließ ihr sagen: Gib die Männer heraus, die zu dir in dein Haus gekommen sind, um das ganze Land zu erkunden. Aber die Frau nahm die beiden Männer und verbarg sie. Und sie sprach: Ja, es sind Männer zu mir hereingekommen, aber ich wusste nicht, woher sie waren. Und als man das Stadttor schließen wollte, da es finster wurde, gingen die Männer hinaus, und ich weiß nicht, wo sie hingegangen sind. Jagt ihnen eilends nach, dann werdet ihr sie ergreifen. Sie aber hatte sie auf das Dach steigen lasen und unter den Flachsstängeln versteckt, die sie auf dem Dach ausgebreitet hatte. Die Verfolger aber jagten ihnen nach auf dem Wege zum Jordan bis an die Fruten, und man schloss das Tor zu, als sie draußen waren.

Und ehe die Männer sich schlafen legten, stieg Rahab zu ihnen hinauf auf das Dach und sprach zu ihnen: Ich weiß, dass der Herr euch das Land gegeben hat; denn ein Schrecken vor euch ist über uns gefallen, und alle Bewohner des Landes sind vor euch feige geworden. Denn wir haben gehört, wie der Herr das Wasser im Schilfmeer ausgetrocknet hat vor euch her, als ihr aus Ägypten zogt, und was ihr den beiden Königen der Amoriter, Sihon und Og, jenseits des Jordans getan gabt, wie ihr an ihnen den Bann vollstreckt habt. Und seitdem wir das gehört haben, ist unser Herz verzagt und es wagt keiner mehr, vor euch zu atmen; denn der Herr, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf der Erde. So schwört mir nun bei dem Herrn, weil ich an euch Barmherzigkeit getan habe, dass auch ihr an meines Vaters Hause Barmherzigkeit tut, und gebt mir ein Zeichen, dass ihr leben lasst meinen Vater, meine Mutter, meiner Brüder und Schwestern und alles, was sie haben, und uns vom Tode errettet.

Die Männer sprachen zu ihr: Tun wir nicht Barmherzigkeit und Treue an dir, wenn uns der Herr das Land gibt, so wollen wir selbst des Todes sein, sofern du unsere Sache nicht verrätst.

Da ließ Rahab sie an einem Seil durchs Fenster hinab; denn ihr Haus war an der Stadtmauer, und sie wohnte an der Mauer.

Und sie sprach zu ihnen: Geht auf das Gebirge, dass eure Verfolger euch nicht begegnen, und verbergt euch dort drei Tage, bis zurückkommen, die euch nachjagen; danach geht eures Weges. Die Männer aber sprachen zu ihr: So wollen wir den Eid einlösen, den du uns hast schwören lassen: Wenn wir ins Land kommen, so sollst du dies rote Seil in das Fenster knüpfen, durch das du uns herabgelassen hast, und zu dir ins Haus versammeln deinen Vater, deine Mutter, deine Brüder und deines Vaters ganzes Haus. So soll es sein: Wer zur Tür deines Hauses herausgeht, dessen Blut komme über sein Haupt, aber wir seien unschuldig; doch das Blut aller, die in deinem Hause bleiben, soll über unser Haupt kommen, wenn Hand an sie gelegt wird. Und wenn du etwas von dieser unserer Sache verrätst, so sind wir frei von dem Eid, den du uns hast schwören lassen.

Sie sprach: Es sei, wie ihr sagt! Und ließ sie gehen. Und sie gingen weg.

Und sie knüpfte das rote Seil ins Fenster.

Sie gingen aber weg und kamen aufs Gebirge und blieben drei Tage dort, bis die zurückgekommen waren, die ihnen nachjagten. Denn sie hatten sie gesucht auf allen Straßen und doch nicht gefunden. Da kehrten die beiden Männer um und gingen vom Gebirge herab und setzten über und kamen zu Josua, dem Sohn Nuns, und erzählten ihm alles, was ihnen begegnet war, und sprachen zu Josua: Der Herr hat uns das ganze Land in unsere Hände gegeben, und es sind auch alle Bewohner des Landes vor uns feige geworden.

 Irgendwie hat mich diese Geschichte dann nicht mehr losgelassen. Und dann hab ich mich einfach mal an den Computer gesetzt und meine Gedanken dazu aufgeschrieben:

Die Geschichte wirft Fragen auf.

Wir könnten sie einseitig aus der Perspektive des Volkes Israel betrachten – dann wird Rahab zur Heldin, die dem Volk Gottes geholfen hat, und dafür im Gegenzug für sich und ihre Familie Schutz erhält.

Mit dem Verstecken der beiden Spione bezieht Rahab Stellung für die beiden Fremden – und verteidigt und rettet sie. Das ist heldenhaft!

Aber ganz so einfach ist es ja nicht: denn erstens wird Rahab dadurch zu einer Verräterin an ihrem eigenen Volk – das zieht weitere Lügen und Betrügereien nach sich: Sie muss die Soldaten des eigenen Königs anlügen und sie auf eine falsche Fährte schicken.

Irgendwie fühlt sich dieses Verhalten „unmoralisch“ an. Rahab wirkt dann gar nicht mehr so heldenhaft und strahlend, sondern eher fragwürdig und moralisch verwerflich.

Und zweitens: die Eroberung von Jericho ist blutig und grausam, ein Krieg, ein Eroberungskrieg, wie wir ihn momentan ganz nah bei uns erleben. Russland überfällt die Ukraine, Israel vernichtet Palästina, der amerikanische Präsident sucht einseitig nur das Wohl der reichen weißen Männer in seinem Land.

Wie kann man sich jemanden als Vorbild aussuchen, der genau dieses unterstützt? Und wie können wir dieses Volk, das als Gottes Volk bezeichnet wird, als Vorbild nehmen, mit dieser kriegerischen grausamen Vorgehensweise?

Auf diese Frage weiß ich keine Antwort. Lediglich kann man festhalten, dass aufgrund der archäologischen Funde nicht bestätigt werden kann, dass die Übernahme von Kanaan durch das Volk Israel so blutig und kriegerisch erfolgte, wie sie in der Bibel berichtet wird. Es scheint eher eine Art schleichender Prozess gewesen zu sein, ein Hereintröpfeln in das Land, eine Art kultureller Revolution.

So oder so: das Handeln der Rahab ist nicht wirklich „kriegsentscheidend“. Das Volk Israel wäre auch ohne Rahabs Hilfe ins Land gezogen. Allerdings: die Kundschafter wären dann vermutlich zum Tode verurteilt worden. Für die beiden macht es also einen großen Unterschied, wie sich Rahab verhält.

Rahab nimmt also die beiden Spione auf – vielleicht, weil sie jeden Mann, der zu ihr kommt, erstmal aufnimmt? Weil sie kundenorientiert lebt und denkt?

Oder weil sie sich schon gleich einen Vorteil erhofft, wenn sie Männer aus dem „feindlichen“ und übermächtigen Volk Israel aufnimmt?

Oder weil sie einfach human denkt und handelt?

Weil man die Fremden freundlich empfängt und ihnen hilft?

Wir wissen ihre Beweggründe nicht. Aber eins steht fest: Handeln oder auch Nicht-Handeln zieht immer Konsequenzen nach sich: Rahab hat die Kundschafter gerettet, dabei ihr eigenes Volk verraten und doch gewonnen: denn von allen Bewohnern Jerichos wird sie mit ihrer Familie die einzige Überlebende sein.

Ihre eigene Begründung für ihr Handeln wird uns berichtet: Sie hat schon viel über das Volk Israel gehört, und über dessen Gott. Sei weiß: gegen diese Übermacht hat sie keine Chance.

Im Hebräerbrief wird dies als „Glauben“ interpretiert: Durch den Glauben kam die Hure Rahab nicht mit den Ungehorsamen um, weil sie die Kundschafter in Frieden aufgenommen hatte. (Hebr. 11.31)

Bei Jakobus allerdings wird dasselbe Handeln als „Werke“ interpretiert:

„Desgleichen die Hure Rahab: Ist sie nicht durch Werke gerecht geworden, als sie die Boten aufnahm und sie auf einem anderen Weg hinausließ?“ (Jak. 2, 25)

Rahab hat gehandelt – sie hat nicht einfach die Hände in den Schoß gelegt und gewartet. Die Folgen ihres Handelns sind einerseits unmittelbar für sie und ihre Familie sichtbar, andererseits aber auch für die Heilsgeschichte wichtig, für die Geschichte Gottes mit der Menschheit:

Die unmittelbaren Folgen ihres Handelns habe ich schon berichtet: sie und ihre Familie sind die einzigen Überlebenden des Überfalls auf Jericho.

Was wir aber leicht vergessen, weil es nur ganz versteckt in der Bibel erwähnt wird: Rahab wird als eine Ur-ur-ur-… (30mal) Großmutter Jesu erwähnt. Oder umgekehrt: Ohne Rahab wäre Jesus nicht so auf die Welt gekommen.

An Rahab können wir erkennen, dass Gott jeden Menschen annimmt, wie unpassend er oder sie auch erscheinen mag. (eine Hure, eine Frau, von einem fremden Volk…)

Für diese Annahme eines jeden einzelnen sprengt er Grenzen: die Grenzen zwischen den Völkern, aber auch durchaus sein eigenes Wort. Er hatte eigentlich jede Art von Vermischung mit den Menschen, die in Kanaan lebten, untersagt. Hier aber macht er eine Ausnahme – warum, das können wir nicht sagen. Das ist eins der Geheimnisse, die wir nicht aufklären werden. Aber er tut es. Er tut es immer wieder, denn wir finden in der Bibel sowohl im Alten wie im Neuen Testament Geschichten über Fremde, Angehörige anderer Völker, die Gottes Gnade erlebten.

Gott hat eine Zukunft für jeden und jede, eine Zukunft, eine Aufgabe, von der wir nicht wissen, wofür sie einmal gut sein wird. Rahabs Aufgabe war neben der unmittelbaren Rettung von zwei israelitischen Männern auch die, eine Urahnin von Jesus Christus zu sein.

Ein anderes, was wir lernen, am Beispiel Rahabs: Es gibt keinen unverrückbaren „Status quo“. Die Menschen in Jericho hatten sich eigentlich ganz gut eingerichtet – ankommende Fremde waren weder erwünscht, noch willkommen.
Aber jetzt kommen die Fremden und erobern das Land. Alles wird sich verändern – das macht Angst. Den Status quo beizubehalten wäre leichter und irgendwie bequemer. Mit jedem Fremden, der in die Stadt kommt, werden sich kulturelle Gegebenheit ändern: die Fremden sprechen eine andere Sprache, das wird sich im Austausch mit diesen Fremden auf die eigene Sprache auswirken. Die Fremden bringen ihren eigenen Glauben mit, ihre eigene Religiosität, aber auch ihr eigenes Moral-Empfinden, ihre eigene Vorstellung über richtig und falsch oder über das, was als „schön“ gilt.

Mit jedem Fremden, der in die Stadt kommt, und bleiben will, kommt die Unsicherheit, wird das Althergebrachte in Frage gestellt, wird der eigene Lebensstil auf die Probe gestellt, wird der kulturelle Boden, auf dem wir stehen, wankend und unsicher.

In all dem hat Rahab das rote Seil, das sie sichtbar an ihr Fenster knüpft. Für sie ist das ihre Rettungsleine im Chaos der Überfremdung, ein Ankerseil, das sie und ihre Familie absichert: Was auch geschehen wird: Gott ist auf ihrer Seite!

Mögen auch wir alle solch ein rotes Seil im Herzen haben, an dem wir uns festhalten können, wenn die Welt um uns herum ins Wanken gerät!

Das wünscht


Monika



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