Herzlich Willkommen auf meinem Blog

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Mittelbrücke auf Föhr - seit 2023 ist sie leider Geschichte

Samstag, 6. November 2021

Es schwebt und tanzt

Hallo, Ihr Lieben jenseits des Meeres - und auch ihr, hier auf der Insel, in dieser Flaschenpost mache ich mir ein paar Gedanken über ein Mobile. Nein, ich meine nicht das englische Wort mobile, was ja Mobiltelefon bedeutet, sondern das altmodische Mobile.
 Hier tanzen Papierkraniche anmutig
umeinander

Ein Mobile…

…hing in den 70er Jahren in vielen Zimmern. Da gab es lustige Figürchen, die an unsichtbaren Fäden umeinander tanzten. Es gab gefaltete Fische aus Papierstreifen, die von jedem kleinen Luftzug in Bewegung gesetzt wurden. Kleine Schiffe aus Holz oder Papier bewegten sich majestätisch umeinander. Oder eben wie hier: gefaltete Vögel, die aussehen, als ob sie gleich losfliegen wollen.

Ein Mobile ist ein zartes, leichtes Gebilde. Die einzelnen Elemente hängen an so dünnen Fäden, dass man diese kaum sehen kann. Ein gutes Mobile ist perfekt ausbalanciert, nirgends hängt etwas zu tief oder zu hoch. Die einzelnen Stangen sollten genau waagerecht sein – nur dann erweckt das Mobile den Eindruck von Leichtigkeit und Tanz.
Leichtigkeit und Tanz –

- wenn das Leben doch so einfach wäre! Wenn ich doch auch so durch das Leben tanzen könnte, wie die Kraniche hier vorne an meinem Mobile. Ich schaue mir das Mobile noch einmal genau an.

An der Hauptschnur hängt der Holzspieß, an dem wiederum weitere Schnüre hängen. Damit der Holzspieß auch waagerecht hängt, muss man die kleineren Holzbalken genau austarieren: entweder muss das Gewicht genau gleich sein, oder man muss die Schnüre so anbringen, dass der erste Stock in der Waage bleibt.

Es braucht einiges an Zeit und Geduld, bis alles genau richtig ist, so dass die kleinen Kraniche zu tanzen beginnen. Scheinbar schwerelos schweben und drehen sie sich umeinander, ineinander, um sich selbst. Und kommt ein leichter Wind, so wirbelt es fröhlich herum, bevor es wieder zur Ruhe kommt.

Perfekte Harmonie!

Ein Mobile ist immer in Bewegung

Es belebt den Raum

und gleichzeitig strahlt es Ruhe aus.

Die Teile bewegen sich im Raum – wie von einer unsichtbaren Kraft bewegt.

Alle Teile sind miteinander verbunden.

Sie halten sich gegenseitig im Gleichgewicht.

Manche Teile sind damit beschäftigt, sich immer um sich selbst zu drehen.

Schwere Teile werden von vielen kleinen gehalten.

Alles hängt von einem zentralen Punkt ab, wird von dort getragen.

Es ist schön, wenn die Teile sich gegenseitig im Gleichgewicht halten, auspendeln, umspielen.

Wenn ein Teil fällt, dann ist das Ganze in Mitleidenschaft gezogen.

Anstöße, Vibrationen, Bewegungen übertragen sich von einem Teil auf das andere, weil alle miteinander verbunden sind.

Wenn ich einen Kranich wegnehme oder hinzutue, gerät das ganze Gebilde aus dem Gleichgewicht. Ich muss es dann von neuem ordnen und einpendeln, bis jeder Kranich wieder seinen Platz, seine Aufgabe, seine Funktion, seinen Wert hat.

Wie zerbrechlich diese perfekt austarierte Harmonie ist, merke ich erst, wenn ich versuche, das ganze Gebilde an einen anderen Ort zu verfrachten. Schon beim Abnehmen von der Decke wird es durcheinander geraten.

Und übrigens: ein Kranich allein ist zwar wunderschön – jeder ist ziemlich perfekt gefaltet, jeder besteht aus hübschem Papier – aber allein ist dieser wunderschöne Kranich nicht viel. Er tanzt nicht, sondern hängt nur schlaff an einem Faden ab. Erst in der Kombination mit anderen Kranichen, mit den dünnen Fäden und den Holzstäben gewinnt jeder Kranich seine Leichtigkeit.
Orgelmusik zum Nachsinnen:

Auch wir sind Teile im Mobile des Lebens: jeder und jede von uns hat seinen Platz, seine Aufgabe. Auch dann, wenn ich selbst davon vielleicht nichts sehe, bin ich wichtig – vielleicht nur als Gegengewicht zu jemand anderem.

Ich denke da an die sozialen Gebilde, in denen ich mich selbst bewege: vielleicht die Familie oder die Partnerschaft. Sind Sie gut aufeinander abgestimmt? Wenn die Balance in diesen kleineren Bezügen stimmt, dann kann das Leben zu tanzen beginnen. Schon zwei Kraniche an einem Holzstab drehen sich, tanzen.

Aber wenn irgendetwas nicht ganz stimmt, wird der Tanz gestört. Zu Beginn ist das meist gar nicht viel, der tragende Balken gerät dabei nur ein wenig aus dem Gleichgewicht – aber wenn man gar nichts dagegen unternimmt, bekommt irgendwann eine Seite Übergewicht, und das gesamte Mobile muss neu geordnet werden. Manchmal hilft dann nur noch, alle Fäden durchzuschneiden und irgendwie wieder neu anzufangen.

Manchmal passieren Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben. Eine Krankheit, jemand stirbt. Wir müssen die Lücken ausgleichen, mit den Krankheiten leben.

Aber auch das Gegenteil kann sein: ein neuer Mensch wird geboren, bereichert die Familie. Auch dann muss sich alles neu ausrichten, bis das neue Menschlein seinen Platz im Familienmobile gefunden hat.

Wir sind als Menschen aber nicht starr festgelegt auf den einen Platz, z.B. in der Familie. Nein, wir haben viele Bezüge, in denen wir gebraucht sind: die Schule oder der Arbeitsplatz, die Gemeinde, vielleicht eine Partei oder ein Verein, in dem wir uns engagieren. Auch hier binden wir uns wieder ein, balancieren uns aus – bis wir mit Leichtigkeit in der jeweiligen Gemeinschaft tanzen können. Wenn ich meinen Platz in einer Gruppe nicht finden kann, könnte es daran liegen, dass ich zu einem anderen Mobile, zu einem anderen Kontext gehöre.

Sobald sich etwas ändert, kann es sein, dass sich gleich alles ändern muss.

Wie zerbrechlich die Gemeinschaft von Menschen wirklich ist, haben wir vor anderthalb Jahren gemerkt: eine unbekannte Krankheit namens Covid wirbelte alles durcheinander, wie ein Wirbelwind, der mitten durch die Kraniche des Mobiles fegt und eine Spur der Zerstörung hinterlässt. Wir alle mussten uns an Masken gewöhnen, wir alle mussten lernen, dass körperliche Nähe derzeit nicht erwünscht ist, und mussten andere Wege finden, um lieben Menschen unsere Zuneigung zu zeigen. Aus unserer Bekanntschaft wurden Menschen krank, vielleicht ist jemand an Corona gestorben.
Wir mussten lernen, dass man auch zu Hause effektiv arbeiten kann. Die Schüler und Schülerinnen mussten lernen, dass man nicht zur Schule gehen muss, um etwas zu lernen, der Computer wurde als Lehrmittel entdeckt. Kinder mussten sich für einen Freund, eine Freundin entscheiden, den sie sehen durften. Mehr war nicht gestattet.
All diese Ge- und Verbote wühlen uns auf. So langsam allerdings scheint sich der Sturm etwas zu legen – und wir sortieren die Fäden unseres Lebensmobiles neu und versuchen wieder, alle unsere Bezüge ins Gleichgewicht zu bringen, damit das Leben wieder seine tänzerische Leichtigkeit gewinnen kann.

So viele Elemente bilden das Mobile unseres Lebens. Hunderte von Origami-Kranichen kreuzen unseren Weg – einige berühren uns, andere schweben an unsichtbaren Fäden einfach an uns vorbei. Wir alle sind miteinander verbunden. Was allerdings ich selbst häufig vergesse, weil der Blick nach rechts und links so spannend und aufregend ist und so viel Aufmerksamkeit fordert, das ist der eine Faden, der das gesamte Mobile festhält. Manchmal, wenn alles ganz wild durcheinanderwirbelt, hilft der Blick nach oben. Dann kann ich wieder sehen, dass mein Leben ein Teil des Ganzen ist, das Gott in seiner Hand hält.

Die Entdeckung, dass mein eigenes, spannendes, so wichtiges und gleichzeitig so kleines Leben eingebunden ist in eine Dimension von Ewigkeit, das hilft mir, wenn ich das Gleichgewicht verliere.

Vielleicht hat das der Psalmdichter des 73. Psalmes gespürt, als er schrieb:

Dennoch bleibe ich stets an dir;
denn du hältst mich bei meiner rechten Hand.
du leitest mich nach deinem Rat
und nimmst mich endlich mit Ehren an.
Wenn ich nur dich habe,
so frage ich nichts nach Himmel und Erde.
Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch,
Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. (Psalm 73, 21-28).

Und ihr so?

Wo bewegt ihr euch, in welchen filigranen Gleichgewichten? Und wann gerät es aus der Balance und das Leben wird starr und tanzt nicht mehr?

Ich wünsche euch einen wunderbaren Tag voll tanzender Lebensfreude! Seid gesegnet

Monika

 



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