Herzlich Willkommen auf meinem Blog

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Mittelbrücke auf Föhr - seit 2023 ist sie leider Geschichte

Samstag, 30. Oktober 2021

Friede - Freude - Eierkuchen...

Hallo, Ihr Lieben jenseits des Meeres - und auch ihr, hier auf der Insel, am vergangenen Sonntag durfte ich mal wieder einen Gottesdienst in St. Nicolai feiern. In dieser Flaschenpost möchte ich mit euch meine Predigt aus diesem Gottesdienst teilen.
Jedem Sonntag ist ja im Predigtplan ein bestimmtes Thema zugeordnet, zu dem es dann verschiedene Texte aus der Bibel gibt: den Wochenspruch, eine Lesung aus dem Alten Testament, eine aus einem der Briefe aus dem Neuen Testament und natürlich das Evangelium. Dazu kommen dann die Predigttexte, die ebenfalls das Thema des Sonntags aufgreifen.
Am letzten Sonntag war der 21. Sonntag nach Trinitatis - und der Wochenspruch, also sozusagen das Motto für den Sonntag und die darauf folgende Woche war:
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Römer 12, 21
Und jetzt kommt meine Predigt dazu:
Predigttext:
Jesus sprach zu seinen Jüngern:
Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde.
Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.
Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert;
und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.
Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert.
Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.
Matthäus 10, 34 – 39
Darf ich mal ganz ehrlich zu Ihnen und zu Euch sein? All diese Texte, die dem heutigen Sonntag zugeordnet sind, erschrecken mich. Sie machen mich nachdenklich. Und am meisten erschreckt mich dieser Predigttext.

Das klingt fanatisch.
Das klingt radikal.
Das klingt nach Krieg anstelle von Frieden.

Und doch ist das Motto dieses Sonntags und dieser Woche: überwindet das Böse mit Gutem! Wie soll das zusammenpassen?

Ich habe in meinem Leben gelernt, allem allzu Radikalen zu misstrauen. Zu nah liegt die Grenze zum Fanatismus. Menschen, die fanatisch von etwas überzeugt sind, tun oft schlimme Dinge.

Und nun kommt dieser Bibeltext, der sich anhört wie aus einem Sektenbuch. Von Zwietracht innerhalb der Familien ist die Rede, von inneren und äußeren Kämpfen, von Abgrenzung gegenüber Vater und Mutter oder gegenüber den eigenen Kindern. Es ist die Rede davon, die Prioritäten zugunsten Jesu auszurichten – alles andere habe sich dahinter einzuordnen.

Ja, so steht das in der Bibel – aber hier ist es wie so oft: man darf gerade diesen Text nicht aus dem Zusammenhang reißen, sonst könnte er falsch interpretiert werden.

Der Textabschnitt stammt aus der Ausendungsrede Jesu. Er schickt seine Jünger aus, um die Botschaft vom nahen Gottesreich zu verkünden. Und bevor sich seine Jünger auf den Weg machen, werden sie sozusagen „eingenordet“. Jesus erklärt ihnen, womit sie zu rechnen haben. Stellen wir uns das doch mal bildlich vor:

Wir befinden uns in Israel – einem Staat, in dem das Judentum die vorherrschende Religion ist. Die staatliche Hoheit musste Israel mit den Römern teilen – aber die religiöse Hoheit übten nach wie vor die geistlichen Lehrer und Priester aus. Und jetzt kommt ein Haufen Wanderprediger und sagt: Hey, das Judentum ist vorbei – wir bringen euch die Botschaft vom Messias. Ihm sollt ihr glauben, ihm sollt folgen. Er hat supergute Ideen, er kann Wunder wirken, er macht Kranke gesund und kann böse Geister austreiben.

Wir würden wir reagieren?
Ich würde seeehr vorsichtig sein! Das muss man alles erst prüfen. Da könnte ja jeder kommen und behaupten, er habe das Heil der Welt verstanden. Gerade den fanatisch radikalen Religiösen würde ich vorsichtig gegenüber treten und genau prüfen, was sie mir berichten.

Aber die Jünger sollen in die Dörfer und Häuser gehen und diese Botschaft verkündigen. Unser Predigttext richtet sich also an die Jünger in einer ganz bestimmten Situation. Damit haben wir hier keinen Aufruf zur Radikalisierung, sondern eine seelsorglich-realistische Einschätzung der möglichen Reaktionen auf die Botschaft. Macht euch gefasst darauf, dass die Botschaft von Jesus zur spaltenden Kraft in den Familien werden kann.

Jesus, der Friedefürst, kann nicht anders, als den Streit in Kauf zu nehmen.

Er selbst hat in seinem Leben die Prioritäten so geordnet, dass seine weltliche Familie zurückstehen musste. Wir kennen die Geschichte vom 12-jährigen Jesus, der im Tempel sitzt und mit den geistlichen Gelehrten diskutiert. „Ich muss das tun“, sagt er seinen Eltern, die ihn verzweifelt gesucht haben. „Ich muss in dem sein, das meinem Vater gehört.“ Etwas weniger bekannt ist die Überlieferung des Evangelisten Markus, der uns berichtet, dass Jesus seine Mutter und seine Geschwister verleugnet, die vor der Synagoge stehen und nach ihm fragen. Wer ist meine Mutter? – so fragt er. Und gibt gleich darauf selbst die Antwort: Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter. (Mk. 3, 35)

Für Jesus sind die Prioritäten klar: erst kommt sein Auftrag, dann kommt lange nichts – und seine Familie hat vielleicht Priorität Nummer 17.

Diese klare Haltung fordert er nun auch von seinen Jüngern – auch wenn es Streit und Zwietracht in die Familien bringen kann.

Am nächsten Sonntag werden wir das Reformationsfest feiern. Auch Martin Luther hat sich von seiner Familie getrennt, um Mönch zu werden. Allein das Studium der Bibel hat ihm und uns die Erkenntnis gebracht, dass wir ohne Bußübungen und ohne finanzielle Leistungen an die Kirche allein durch den Glauben vor Gott bestehen können.
Martin Luther konnte nicht anders, als seine Überzeugung in die Welt hinauszuschreien. Dass er damit eine Kirchenspaltung verursachte, nahm er (billigend) in Kauf. Es ging nicht anders. Er musste seine Thesen veröffentlichen und den Disput darüber in Gang setzen.

Wir kennen viele Beispiele aus Politik und Gesellschaft, von Menschen, die nicht anders konnten, als laut auszusprechen, was ihnen wichtig war. Frauenrechtlerinnen, Freiheitskämpfer und -kämpferinnen, FriedensaktivistInnen, VertreterInnen der Klimaschutzbewegung und so weiter.

Wer überzeugt ist, wird seine Überzeugung weitersagen – und damit das Schwert, also den Streit und die Zwietracht in die eigene Familie bringen, wenn diese Familie nicht ebenso gesinnt ist.

Jesu Rede vom Schwert ruft uns also nicht zu naiver Radikalität auf, sondern stellt mich in Frage: wo liegt deine Priorität? Was ist dir so wichtig, dass du deswegen die Trennung von deiner Familie in Kauf nehmen würdest?

Eine solche Prioritätensetzung war damals wie heute unpopulär.

In unserer heutigen Gesellschaft fragen wir eher: was nützt mir? Wie kann ich mein Leben so angenehm wie möglich gestalten?
Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren.
So lautet Jesu Antwort auf unser Verbleiben in unserer Komfortzone. Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.

Damit verweist Jesus in ganz kurzer Form darauf, dass es eine andere Dimension gibt – eine jenseitige Welt, die wir uns kaum vorstellen können – eine ewige Dimension, die wir in manchen Momenten erahnen oder erspüren können. Erst vor diesem Hintergrund macht das Aufgeben der eigenen Komfortzone Sinn. An anderer Stelle wird das so formuliert: was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und dabei Schaden zu nehmen an seiner Seele. (Mk 8, 36)

Das habe ich jetzt verstanden: wer seine Komfortzone verlässt und seine Überzeugung laut hinausschreit, riskiert die Trennung von Familie oder Freunden. Auseinandersetzungen mit Menschen, die mir wichtig sind, werden folgen. Aber wie soll ich denn mit diesen Auseinandersetzungen adäquat umgehen?

Dazu geben die anderen Texte dieses Sonntags eine Antwort – vor allem der Wochenspruch aus dem Römerbrief. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Das rät uns Paulus. Es macht mich froh, dass dieser Text demselben Sonntag zugeordnet ist, wie unser Predigttext. Denn die Rede vom Schwert in den Familien macht mich traurig – das will ich nicht. Das will ich eigentlich auch nicht verkündigen. Das widerstrebt mir zutiefst. Ich bin ein friedfertiger Mensch und suche von mir aus nicht gerne die Auseinandersetzung.

Also:
Überwinde das Böse mit Gutem.

Das klingt einfach!

Ist es aber nicht! Das merken wir daran, dass die Menschen seit 2000 Jahren diesen Satz kennen – und doch ist Unfrieden in der Welt. Wir üben noch daran. Dem Bösen das Gute entgegensetzen – das zu lernen ist ein lebenslanger Prozess. Das fängt ganz klein an – und wird sich im Laufe eines Lebens immer weiter entwickeln.

Ich möchte mit Ihnen und Euch noch einen Text teilen, dessen Quelle nicht genau bestimmt werden kann. Er wird dem Talmud zugeschrieben, könnte aber auch von einem englischen Schriftsteller stammen (Charles Reade) oder eine chinesische Wurzel haben. Es ist mir egal. Der kleine Text zeigt mir, wie sich das Gute in mir entwickeln und stark werden kann.
Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.

Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.

Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.

Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.

Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.
Das macht mich vielleicht nicht zu einem besseren Menschen – aber es könnte mir helfen, friedfertiger mit meinen Mitmenschen umzugehen.

Wie ist das mit euch? Wie füllt ihr den weisen Paulus-Ratschlag von der Überwindung des Bösen mit dem Guten?

Seid gesegnet
Monika


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