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Mittelbrücke auf Föhr - seit 2023 ist sie leider Geschichte

Freitag, 28. August 2020

Eigentlich weht er hier immer - der Wind

Hallo, Ihr Lieben jenseits des Meeres - und auch ihr, hier auf der Insel, in dieser Flaschenpost teile ich mit euch die Andacht, die wir letzten Mittwoch in der St. Nicolai-Kirche gefeiert haben.

Der Wind

Gerade hier an der Nordsee ist er eigentlich immer spürbar: der Wind.
Er zeigt sich in vielerlei Gestalt: mal als lauer Sommerwind, der uns die Hitze erträglicher macht, mal als frische Brise, die die Baumwipfel zum Schwanken bringt und das Meer Wellen schlagen lässt, aber manchmal auch als Sturm, der das Meer aufwühlt und Schaumkronen auf die Wellen zaubert. Wenn es ganz dicke kommt, dann sorgt der Wind als Orkan für abgedeckte Dächer, entwurzelte Bäume und Hochwasser. Schon eine leichte Brise reicht aus, damit Dünen wandern – auch das können wir hier auf der Insel manchmal sehen: wenn der Wind aus einer ungünstigen Richtung weht, dann wird viel Sand vom Strand auf die Promenade geweht.

Wind transportiert Gerüche, das können wir leicht riechen, wenn das frisch gejauchte Feld in Windrichtung liegt und wir den „köstlichen“ Landduft in Nase und Wohnung bekommen.

Wind transportiert Geräusche – so hört man bei günstigem Wind die Schiffssirenen vom Hafen bis zur Kirche oder die Kirchglocken bis zum Hafen.

Wind transportiert aber auch Saatgut, wie jedes Kind weiß, das schon einmal eine Pusteblume ausgepustet hat.

Ebenso ist Wind notwendig, damit bestimmte Pflanzen sich gegenseitig bestäuben, z.B. Getreide.

In der Bibel ist Wind ein starkes Motiv, um von Gott zu reden.

Dies finden wir schon gleich zu Beginn, in der Schöpfungsgeschichte: da ist vom Geist Gottes die Rede, der über das Wasser schwebt. Das hebräische Wort (ruach), das hier mit Geist übersetzt wird, hat die Grundbedeutung: Atem, Lufthauch, Wind.

Im Alten Testament finden wir ebenfalls die Geschichte von Elia, der Gott, dem Herrn, begegnen soll. Er versteckt sich in einer Höhle – und es ziehen diverse machtvolle Naturerscheinungen an ihm vorüber: ein mächtiger Sturm, ein verheerendes Feuer, ein starkes Erdbeben. Aber Gott war in keiner dieser mächtigen Naturkräfte. Nein, nachdem alle diese starken Eindrücke vorüber gegangen waren, kam ein stilles sanftes Säuseln – und da wusste Elia: jetzt geht Gott vorüber – und er bedeckte seinen Kopf und trat Gott gegenüber.

Ebenfalls bekannt ist uns allen aus dem Neuen Testament die Pfingstgeschichte, in der das Kommen des Heiligen Geistes mit einem Brausen, wie von einem starken Sturm verglichen wird.

Was Wind bedeutet, und was das über Gott aussagen kann, finden wir sehr schön poetisch beschrieben in dem folgenden Gedicht von Werner Bergengruen (1892-1964)

Ballade vom Wind

Preist den Wind! Gott gab dem Winde
oberhalb der Erdenrinde
alles in sein Eigentum,
alle Meere, alle Länder,
gab ihm Masken und Gewänder:
Tramontana und Samum,
Zephyr, Blizzard, Föhn und Bora,
Mistral, Eurus und Monsun,
Hurrikan, Passat und Ora
und Tornado und Taifun.

Wälderdurchbrauser und Steppendurchschweifer,
dunkler Bläser und heller Pfeifer,
hetzt er Schwalbe und Kormoran,
wühlt in den Mähnen der jagenden Rosse,
schleudert er Drachen, Schiffe, Geschosse,
Adler und Geier aus ihrer Bahn.

Kerzenverlöscher und Flammenschürer,
Nebelzerteiler und Wolkenführer,
schäumiger Wellen johlender Freier,
Trinker der Tränen, Zerreisser der Schleier,
rauchblau, schwärzlich und hagelweiss,
Tücherbauscher, Seelenberauscher,
kindlicher Spieler und zorniger Greis.

Ungebändigt im Springen und Streunen,
reisst die Dächer er von den Scheunen
und von den Herzen die Schwermut los
kühner Beflügler, ewiger Dränger,
mächtiger Löser und Kettensprenger,
Felsenrüttler und Wipfelbeuger,
grosser Zerstörer und grösserer Zeuger,
Flötenruf und Posaunenstoss,
reisiger Feger des Himmelshauses,
Abbild des pfingstlichen Geistgebrauses -
preiset den Wind! Der Wind ist gross.

An dieser Stelle könnten wir die Andacht schon beenden. Wir nehmen schon einiges mit an Erkenntnissen und Vergleichen.

Aber dann stolperte ich bei meiner Internet–Recherche über eine Kinderfrage:

Was macht eigentlich der Wind, wenn er nicht weht?

Ja, eine berechtigte Frage. Gar nicht so leicht zu beantworten. Was macht der Wind, wenn er nicht weht?

Was macht Gott, wenn ich ihn nicht spüre?
Wo ist der Geist, wenn es still um mich herum ist?
Was macht der Wind, wenn er nicht weht?

Solch eine Frage kann nur ein Kind stellen.
Wenn das Kind nichts macht, dann schläft es.
Auch wir sagen z.B. der Wind schläft abends ein.

Aber stimmt das auch?
Wind entsteht durch die Drehung der Erde und die unterschiedlichen Temperaturzonen auf der Erdoberfläche, die unterschiedliche Luftdrücke erzeugen. Es geht nicht, dass der Wind nicht weht. Das ist physikalisch unmöglich. Wenn der Wind bei uns nicht weht, dann weht er woanders. Selbst bei absoluter Windstille könnten wir „Wind“ erzeugen, indem wir uns schnell bewegen, mit dem Fahrrad oder Auto fahren – und dadurch einen Fahrtwind erzeugen.

Genauso kann Gottes Geist nicht nichts bewirken.

Gott begegnet uns in vielen verschiedenen Gestalten: Mal als Sturm, der alles durcheinander wirbelt, wenn Unvorhergesehenes geschieht.
Mal als leises Säuseln, das uns genießerisch das Gesicht in die Sonne strecken lässt.
Mal als Rückenwind, der uns vorwärts treibt und uns stützt.
Immer aber gilt: wo der Wind weht, da bringt er frische Luft mit sich, die uns aufatmen lässt.
Er setzt Energie frei, wie wir sie seit Jahrhunderten mit Windmühlen und Windrädern nutzen. Er befördert das Leben, indem er Pollen und Samen von einem Ort zum nächsten weht. Und er setzt uns Menschen in Bewegung, mit unseren Booten und Schiffen, wenn er sich in die Segel setzt und die Kraft verleiht, das Meer zu überwinden.

Ist das so? Bringt Gott frische Luft in unser Leben, lässt er uns aufatmen? Setzt er Energie frei, die wir nutzen können, befördert er das Leben, setzt er uns - setzt er mich oder dich - in Bewegung?
Ja, das tut er – vielleicht nicht immer so, wie wir uns das vorgestellt haben.
Ganz oft macht er das so, dass er selbst gar nicht sichtbar ist – wie der Wind eben.

In einer Kirche finde ich wohltuende Stille im lauten Alltagslärm und kann wieder aufatmen.

Wir können das Handeln Gottes darin erkennen, dass Menschen sich zusammen tun, um gemeinsam Unglaubliches auf die Beine zu stellen. Da werden kleine und große Wunder möglich. Ich selbst habe das in der Corona-Krise erlebt: was sich zunächst wie eine unglaubliche Flaute für uns angefühlt hat, wie eine Vollbremsung aus schnellem Lauf, das hat so nach und nach in mir und meinen Mitarbeitenden etwas in Bewegung gebracht, wir haben uns mit komplett neuen Medien beschäftigt. Jetzt gibt es die Arbeit der Urlauberseelsorge nicht nur vor Ort mit einzelnen Veranstaltungen, sondern auch im weltweiten Netz mit zahlreichen Vorschlägen und geistlichen Impulsen, die jeder lesen kann. Eigentlich hat sich unsere Reichweite durch Corona erweitert. Wenn der Wind nicht weht – dann ist vielleicht bei mir Flaute, aber er weht woanders und bewirkt, was zu bewirken ist. Da hat Gottes Geist etwas in Bewegung gebracht.

Gottes Stimme kann wie ein leises sanftes Säuseln dagegenhalten, wenn wir Menschen uns gegenseitig niedermachen, wenn jemand immer wieder solche Sätze hören muss, wie: das kannst du nicht, das schaffst du nicht, willst du das wirklich versuchen, das hat doch keinen Erfolg, du bist dafür nicht schlau genug usw.

Wenn ich dann auf Gottes Stimme höre, die mir leise sagt: ich glaube an dich – versuch es nur, ich bin bei dir. Dann spüre ich Gottes Kraft als Rückenwind, der mich vorwärtstreibt, obwohl meine Umgebung mir das nicht zutraut.

Aber auch umgekehrt können wir Gottes Handeln als starken Sturm, als Gegenwind erleben. Wenn etwas gar nicht funktionieren will, dann kann es ja auch mal sein, dass mein eingeschlagener Lebensweg für mich nicht gut ist.

Andererseits: wenn ein Baum oft den Stürmen ausgesetzt ist, dann zwingt ihn das, seine Wurzeln tiefer in den Boden zu strecken. Damit wird der Baum eigentlich stärker als zuvor.

Gegenwind oder Lebensstürme können mir also einerseits anzeigen, ob ich auf gutem richtigen Wege bin, oder sie können mir zur Entwicklung von mehr Standsicherheit verhelfen.
Amen


Wie erlebt ihr den Wind - wie erlebt ihr Gott? Schreibt mir das gerne in die Kommentare oder schickt mir eine Mail. Ich freue mich darauf, mit euch darüber ins Gespräch zu kommen!

Eure Monika vom Treffpunkt Urlauberseelsorge


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