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Mittwoch, 6. September 2023

Flüüüügel!

Hallo, Ihr Lieben jenseits des Meeres - und auch ihr, hier auf der Insel, in dieser Flaschenpost möchte ich mit euch die Andacht teilen, die wir am Mittwoch in der Gute-Nacht-Kirche gefeiert haben. Es geht um das Gefühl von Freiheit, um Flügel, aber auch um das, was uns erdet und auf dem Boden der Tatsachen festhält.

Martha und Maria

Als Jesus mit seinen Jüngern weiterzog, kam er in ein Dorf. Dort nahm ihn eine Frau als Gast bei sich auf. Ihr Name war Marta. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Die setzte sich zu Füßen des Herrn nieder und hörte ihm zu.

Aber Marta war ganz davon in Anspruch genommen, sie zu bewirten. Schließlich ging sie zu Jesus und sagte: »Herr, macht es dir gar nichts aus, dass meine Schwester mich alles allein machen lässt? Sag ihr doch, dass sie mir helfen soll!« 
Aber der Herr antwortete ihr: »Marta, Marta! Du bist so besorgt und machst dir Gedanken um so vieles. Aber nur eins ist notwendig: Maria hat das Bessere gewählt, das wird ihr niemand mehr wegnehmen.«

Flügel!

RedBull verleiht Flügel! Diesen beflügelnden Werbeslogan kennt ihr bestimmt. Ein verlockendes Angebot, das muss man schon sagen. Denn viele von uns haben große Sehnsucht nach Freiheit, Weite und einfach die Füße in der Luft schweben zu lassen. Einen Moment der Freiheit genießen im Trubel des gestressten Alltags, der durch Verpflichtungen und Terminen vollgepackt ist. Jeder will was von mir und meine To-Do-Liste ist schon wieder zu lang. So wie Martha, in der vorhin gehörten Geschichte, sind wir meist nur am Rotieren und am Arbeiten.
RedBull oder irgendein anderes Energy-Getränk verleiht uns schon mal keine wahren Flügel und hilft uns keinen Moment lang zu schweben- so viel ist klar. Doch was ist es dann? Was verleiht uns Flügel?
Was hält uns fest, was erdet uns?

Alltägliche Anforderungen lassen mich allzu schnell vergessen, dass es etwas anderes geben könnte als Pflichterfüllung und Geldverdienen.
Die ständige Tretmühle des Alltags für eine kurze Zeit zu vergessen, für die Dauer eines Gottesdienstes etwa oder für die Dauer eines Konzertes oder für die Dauer eines Urlaubes, gibt mir Kraft und Auftrieb. Maria tut das in unserer Geschichte: sie setzt sich einfach zu Jesu Füßen und hört zu. Obwohl der Alltag drückt, obwohl es viel zu tun gäbe. Sie tut das nicht immer, aber für dieses Mal macht sie es. Und wird prompt von Martha angefeindet, die sich allein gelassen fühlt mit der vielen Arbeit. Martha fühlt sich dermaßen im Recht, dass sie sich an die höchste verfügbare Autorität wendet, um den Höhenflug, den vermeintlichen Egotrip von Maria zu beenden. Das Erstaunliche und Beruhigende ist, dass Jesus Maria den Rücken stärkt. Sie hat den guten Teil erwählt.
Manchmal brauchen wir eine Auszeit, eine Zeit der Stärkung, bevor wir den Alltag wieder auf unsere Schultern laden können. Ohne den Alltag allerdings würden wir die Auszeiten vermutlich nicht einmal zu schätzen wissen. Wer immer Urlaub hat, wird vermutlich irgendwann Langeweile bekommen. Wenn die ganze Woche aus Wochenenden bestünde, wüssten wir bald mit unserer freien Zeit nichts mehr anzufangen. Das Wochenende ist die willkommene Unterbrechung des Alltags, so wie der Urlaub die willkommene Unterbrechung der Jahresarbeit ist.

Wir können die Höhenflüge nur genießen, wenn wir gleichzeitig geerdet sind.

Ein Flugdrachen ist das perfekte Beispiel für unsere Andacht.
Er hat keine Flügel – so wie wir selbst keine Flügel besitzen, aber ein Flugdrachen hat einen Halt- ja eine Erdung- durch seine Schnur und fliegt doch nur durch die Kraft des Windes.
Der Wind ist etwas, auf das wir keinen Einfluss haben. Wir können uns nicht einfach vornehmen, zu fliegen, ohne den Wind mit einzubeziehen.
Aber um den Drachen erstmal in die Luft zu bekommen, benötigt es meist nicht nur den Wind, sondern auch Menschen, die dem Drachen einen Anstoß geben und diesen durch die verbindende Schnur lenken. Man braucht also einen Impuls, um in die Luft zu kommen und zu fliegen - das kann bei uns ein Anstoß von Freunden oder der Familie sein, aber auch die Natur, Medien, unsere Gefühle, Gott, die Kirche oder auch vielleicht diese Andacht hier in der Flaschenpost, all das kann einen kleinen Impuls geben, um uns wenigstens für kurze Zeit in die hoffentlich windige Luft stoßen. Gebunden durch unsere Ketten der Vergangenheit, der Erfahrung und Pflichten können wir trotzdem im Wind fliegen, ausbalanciert durch den Lenker, der uns festhält, uns durch stürmische Zeiten dirigiert und uns auch aufhebt, wenn wir hart auf den Boden fallen sollten.

Wir können nicht immer den Platz von Maria einnehmen, auch wenn das der bessere Teil des Lebens ist. Wir müssen auch wie Marta arbeiten, um zu leben. Aber ab und zu, hier und da, für einen kleinen Moment dürfen wir zulassen, dass wir frei sind, dass wir fliegen.

Ich finde diese Gedanken wieder in den berühmten Regeln der Gelassenheit, die Papst Johannes XXIII zugeschrieben werden. 
  1. Nur für heute werde ich mich bemühen, einfach den Tag zu erleben – ohne alle Probleme meines Lebens auf einmal lösen zu wollen

  2. Nur für heute werde ich größten Wert auf mein Auftreten legen und vornehm sein in meinem Verhalten: Ich werde niemanden kritisieren; ja ich werde nicht danach streben, die anderen zu korrigieren oder zu verbessern... nur mich selbst.

  3. Nur für heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin ... nicht nur für die andere, sondern auch für diese Welt.

  4. Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass die Umstände sich an meine Wünsche anpassen.

  5. Nur für heute werde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen. Wie die Nahrung für das Leben des Leibes notwendig ist, ist die gute Lektüre notwendig für das Leben der Seele

  6. Nur für heute werde ich eine gute Tat vollbringen – und ich werde es niemandem erzählen.

  7. Nur für heute werde ich etwas tun, wozu ich keine Lust habe. Sollte ich mich in meinen Gedanken beleidigt fühlen, werde ich dafür sorgen, dass niemand es merkt.

  8. Nur für heute werde ich ein genaues Programm aufstellen. Vielleicht halte ich mich nicht genau daran, aber ich werde es aufsetzen. Und ich werde mich vor zwei Übeln hüten: vor der Hetze und vor der Unentschlossenheit.

  9. Nur für heute werde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben, mich an allem zu freuen, was schön ist. Und ich werde an die Güte glauben.

  10. Nur für heute werde ich fest daran glauben – selbst wenn die Umstände das Gegenteil zeigen sollten –, dass die gütige Vorsehung Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt.
Nimm dir nicht zu viel vor. Es genügt die friedliche, ruhige Suche nach dem Guten an jedem Tag zu jeder Stunde, und ohne Übertreibung und mit Geduld.

Ich finde diese Gelassenheit großartig: ich muss ja nicht ein für allemal entscheiden, ob ich eher Maria oder Marta bin, ich muss ja nicht für alle Zeit in der Rolle festgelegt bleiben. Es darf Zeiten für jedes davon geben - für das Zuhören und auftanken, und für das Tätig sein und Arbeiten.

Das zu wissen, verleiht mir Flüüüüügel - und dafür brauche ich keinen Energie-Drink!

Seid gesegnet an diesem Samstag, ihr Lieben jenseits des Meeres - und auch ihr, hier auf der Insel

Monika


 

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