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Freitag, 3. April 2020

Zusammenhalten

eine Flaschenpost zum Nachdenken

Ein Fund auf dem feuchten Wattboden bringt mich zum Nachdenken:

Da liegen eine Miesmuschel, eine Auster und ein Stückchen Seetang eng beieinander auf dem Wattboden. Wer genau hinsieht, erkennt auf der Miesmuschel auch noch ein paar sogenannte Seepocken. Diese Lebewesen, die hier „kuschelig“ beieinander liegen, könnten unterschiedlicher nicht sein: der Seetang gehört zu den Algen, ist also ein pflanzenartiges Unterwasser-Gewächs. Die Muscheln gehören zu den sogenannten Schalentieren: mit der harten Außenschale schützen sie ihr verletzliches Inneres vor Fressfeinden. Und dann sind da noch die Seepocken auf der Miesmuschel – sie gehören zu den Krebstierchen, sind also genau genommen ebenfalls Schalentiere.

Und hier liegen sie einträchtig beieinander, ja sie sind sogar miteinander verbunden, denn die Miesmuschel bildet Klebefäden aus, eigentlich, um sich mit anderen Miesmuscheln zu verbinden. Das kann man sich ein bisschen so vorstellen, wie geschmolzener Käse: er fließt in alles, was darunter liegt, und verbindet die verschiedenen Zutaten der Pizza oder des Auflaufs miteinander. Wenn man mit der Gabel in die Pizza oder in den Auflauf sticht und ein Stückchen davon rausziehen will, zieht der Käse klebrige Fäden.

So ähnlich verbinden sich die Miesmuscheln miteinander – jede produziert diese Klebefäden. Auf diese Weise bilden sich riesige Ansammlungen von Miesmuscheln, die sich gegenseitig aneinander festhalten. Ja, mehr noch: die Miesmuscheln scheiden als Abfallprodukt aus ihrem Stoffwechsel eine Art Schlick aus, der sich um sie herum ablagert, und ziemlich schnell zu einem richtigen „Berg“ anwächst. Die Muschel würde eigentlich von ihren eigenen Ausscheidungen überwachsen und erstickt werden. Aber dadurch, dass sich viele Muscheln über die Klebefäden verbunden haben, bekommen sie einen größeren Auftrieb und können so ihren eigenen Ausscheidungen entkommen.

Und hier sind sie nun versammelt: die Miesmuschel, die Auster, der Seetang und auch noch die Seepocken – alle zusammengeklebt durch die Klebefäden der Miesmuschel. Und weil sie alle zusammengehalten werden, halten sie sich gegenseitig. Nur auf diese Weise können sie den Strömungen von Ebbe und Flut trotzen, werden nicht unkontrolliert hin und hergeworfen – und stützen sich gegenseitig.

Gerade in unserer derzeitigen Situation brauchen auch wir diese gegenseitige Unterstützung. So, wie die Fäden der Miesmuschel auch dem Seetang und der Auster Stärke und Halt verleihen, so können wir uns vernetzen und gegenseitig stützen. Nur durch gegenseitige Unterstützung – oft auch aus der Entfernung über das World Wide Web (das „Inter-Netz“) oder über das Telefon-Netz, oder das Funk-Netz, können wir verhindern, dass wir ins Trudeln kommen, dass wir im Strom von Ebbe und Flut der Meinungen und Emotionen hin- und hergeworfen werden.

Und ich glaube auch, dass jede und jeder von uns seinen Platz darin hat: die einen spinnen die Fäden, die uns vernetzen, die anderen geben die Stärke, die uns erdet, wieder andere sorgen, wie der Seetang, für Auftrieb. Und manche fallen uns erst gar nicht auf, wie die kleinen Seepocken, die bescheiden und still auf der Miesmuschel sitzen und keinen stören.

Uns alle umgibt – unsichtbar und doch da, Gottes Gegenwart.
Psalm 139, 5: Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.

Ich wünsche uns, dir und mir,
einen Halt in schwierigen Zeiten,
wenn Ebbe und Flut an mir und dir zerren,
wenn die Strömungen dich und mich umherwerfen,
dann wünsche ich uns, dir und mir,
so eine Miesmuschel, die ihre Fäden aussenden,
und uns umhüllt.
Gott,
Von allen Seiten umgibst du mich – und hältst deine Hand über mir.
Amen

Bleibt behütet und gesegnet!

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