Ein Klick auf das Bild zeigt es euch in groß!
Der Sturm auf dem See - so wird diese Malerei aus dem 11. Jahrhundert genannt - aber vom Sturm sieht man hier kaum etwas. Auf allen anderen Bildern, die ich zu diesem Thema kenne, werden eher die Wellen bedrohlich dargestellt, das kleine Schiffchen wird schier von den Wellen überrannt.
Auf diesem Bild hier ist das anders - der Hintergrund wirkt ruhig - eigentlich ahnt man das Wasser nur - Wellen sieht man gar nicht. Eher wirkt es ja so, als ob das Schiffchen auf dem blauen Hintergrund schwebt, und genau deshalb wirkt es so haltlos. Es scheint in die bodenlose Tiefe zu stürzen, das kleine Schiffchen. Einzig das zerfetzte Segel, das im Wind flattert, deutet auf stürmische Verhältnisse hin.
Was mir hier besonders auffällt, das ist das Boot an sich: es wirkt nicht wie ein Boot, sondern eher wie ein furchterregendes Ungeheuer: das Boot läuft nach vorne in einen Drachenkopf aus, der mit weit aufgerissenem Maul und ebenso weit geöffneten Augen alles verschlingt, was ihm in die Quere kommt. Und auch das Heck des Bootes erinnert an ein Ungeheuer, denn es sieht aus wie ein riesiger Drachenschwanz, der wild um sich schlägt und dabei das wild flatternde Segel noch mehr zerfetzt.
Man kann vorne noch sechs Ruder erkennen - aber diese wirken eher, als ob sie nur in der Luft rumquirlen. -Sie sind dünn wie Streichhölzer und ebenso zerbrechlich. Mit diesen Stängelchen kann man das Boot des Lebens nicht beherrschen.
Ziellos und hilflos treibt das Boot, haltlos schwebt es. Die Hauptrichtung in diesem Bild geht von links oben nach rechts unten - eindeutig ein Sturz in die Tiefe.
Die Gefahr auf diesem Bild geht nicht vom Meer oder vom Sturm aus - beide kann man ja kaum erkennen. Nein, die Gefahr in diesem Bild geht von dem Seeungeheuer aus - von dem Drachen, in den sich das Leben verwandelt hat.
Das ganze Boot ist voller Heiligenscheine. So viel Heiligkeit - und doch stürzt das Boot und doch verwandelt sich das Leben in ein Ungeheuer.
Wir sagen ja heute lapidar: Das Leben ist kein Ponyhof. Aber eigentlich wünschen wir uns doch ein Leben wie auf einem Ponyhof: wir wollen ein schönes, möglichst sorgenfreies Leben in Frieden und Wohlstand mit viel Gesundheit und so weiter.
Aber das Leben ist nun mal kein Ponyhof - im Gegenteil: es ist lebensgefährlich! Unser Lebensschiff wird in Seenot geraten. Und zwar auch dann, wenn ich gläubig bin!
Wie schnell bin ich dann dabei und klage Gott an: Wo bist du denn? Warum hilfst du nicht? Warum lässt du das zu?
Das gilt im Kleinen wie im Großen.
Aber unser Bild zeigt es: Gott ist ja mit an Bord. Wo Jesus liegt, in Ruhe schläft, da hat der Sturm keine Gewalt. Sein Ärmel oder das Tuch, auf dem sein Kopf ruht, hängt glatt und ruhig hinunter - ein krasser Gegensatz zum wild um sich schlagenden Segel.
Wir wissen, wie die Geschichte weitergeht: die Jünger wecken Jesus auf, mit genau den Worten, die wir so gerne Gott vorwerfen: Herr, fragst du nichts danach, dass wir verderben? Gott, warum tust du nichts?
Und Jesus stand auf, bedrohte Wind und Meer und alles wurde ruhig.
Aber diese Situation zeigt uns der mittelalterliche Maler nicht - er zeigt uns das stürzende Schiff, das Ungeheuer, das uns mitnimmt auf seinem Weg in die Tiefe.
Er zeigt uns den schlafenden Christus, der von all dieser Aufregung nichts mitbekommt, der schläft, obwohl die Welt um ihn herum in Aufruhr ist. Der Maler hat in seinem Bild einige weitere kleine Hinweise versteckt: man sieht zum Beispiel Petrus, der seine Hand zum Mast ausstreckt und versucht, die Situation zu retten. Man sieht einen Jünger, der wie gebannt zum Mast starrt - was mag er sehen? Sieht er das wildgewordene Segel oder sieht er das Kreuz, zu dem sich Mast und Rahe formen? Findet er Trost im Anblick des Kreuzes oder hat er die wildgewordene Umwelt im Blick?
Und einen weiteren Jünger sehen wir, der seine Hand fast schon zaghaft nach Jesus ausstreckt. Ob er in Jesus mehr sieht, als den Meister, der sie in diese Situation ja erst gebracht hat.
Wer sehr gute Augen hat, der kann auf dem Heiligenschein von Jesus drei Buchstaben erkennen: L U X - lateinisch Licht, kann man hier lesen. Jesus ist mehr als nur der Anführer einer Fischertruppe, Jesus ist Licht der Welt, und dieses Licht ist bereits an Bord, wenn das Schiff zu stürzen droht.
Für mich ist das heute der wichtigste Aspekt: Jesus ist an Bord, wenn ich in Not gerate.
Und wo seid ihr in diesem Bild?
Sitzt ihr bei den ängstlichen Jüngern, die den Sturz beobachten, aber tatenlos zusehen?
Greift ihr nach den Tauen und versucht, mit eurer beruflichen Erfahrung das Lebensschiff zu retten?
Greift ihr nach Jesus? Und was sagt ihr zu ihm, wenn er die Augen aufschlägt?
Ihr merkt es schon, mich hat das Bild tief berührt - ich finde es hochaktuell. Dabei ist es wirklich schon 1000 Jahre alt, oder sogar noch etwas älter.
Seid herzlich gegrüßt und gesegnet, ihr Lieben jenseits des Meeres, und auch ihr, hier auf der Insel
Monika |
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