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Donnerstag, 3. September 2020

Seid gesegnet!

Hallo, Ihr Lieben jenseits des Meeres - und auch ihr, hier auf der Insel, in dieser Flaschenpost möchte ich mit euch meine Gedanken über das Segnen teilen: wer darf wen wann segnen, was ist das eigentlich, und wo ist der Unterschied zum Gebet?

Das ist keine theologische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema - sondern fasst einfach die Andacht vom letzten Mittwochabend zusammen. Denn die ging über dieses Thema - der Anlass dazu: zwei von meinen Ehrenamtlichen/Freiwilligen haben ihre Zeit auf Föhr beendet und werden in dieser Form erst mal nicht mehr in der Urlauberseelsorge mitarbeiten. Gerade in diesem Corona-Jahr sind wir alle als Mitarbeitende im Treffpunkt Urlauberseelsorge irgendwie dichter zusammengewachsen als in den vergangenen Jahren - umso schwerer fällt auf beiden Seiten der Abschied!


Segen oder Fluch?

Zwei Engel auf Reisen - eine Geschichte...

Zwei reisende Engel machten Halt, um die Nacht im Hause einer wohlhabenden Familie zu verbringen. Die Familie war unhöflich und verweigerte den Engeln, im Gästezimmer des Haupthauses auszuruhen. Anstelle dessen bekamen sie einen kleinen Platz im kalten Keller.
Als sie sich auf dem harten Boden ausstreckten, sah der ältere Engel ein Loch in der Wand und reparierte es.
In der nächsten Nacht rasteten die beiden im Haus eines sehr armen, aber gastfreundlichen Bauern und seiner Frau. Nachdem sie das wenige Essen, das sie hatten, mit ihnen geteilt hatten, ließen sie die Engel sogar in ihrem Bett schlafen und übernachteten selbst im Stall.
Bei Sonnenaufgang fanden die Engel den Bauern und seine Frau in Tränen. Ihre Kuh, deren Milch ihr einziges Einkommen gewesen war, lag tot auf dem Feld. Der jüngere Engel wurde wütend und fragte den älteren Engel, wie er das habe zulassen können?
Bevor wir diese Frage näher bedenken, hören wir erst mal die Geschichte weiter:
„Der erste Mann hatte alles, trotzdem halfst du ihm“, meinte der jüngere Engel anklagend. „Die zweite Familie hatte wenig, und du lässt die Kuh sterben.“
„Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen“, sagte der ältere Engel. „Als wir im kalten Keller des Haupthauses ruhten, bemerkte ich, dass Gold in diesem Loch in der Wand steckte. Weil der Eigentümer so von Gier besessen war und sein glückliches Schicksal nicht teilen wollte, versiegelte ich die Wand, sodass er es nicht finden konnte. Als wir dann in der letzten Nacht im Bett des Bauern schliefen, kam der Engel des Todes, um seine Frau zu holen. Ich gab ihm die Kuh stattdessen. Die Dinge sind nicht immer, was sie zu sein scheinen.

(Von wem die Geschichte stammt, konnte ich nicht herausfinden, sie geistert durch diverse Webseiten – der letzte Satz: „Die Dinge sind nicht immer, was sie zu sein scheinen“ – wird dem römischen Dichter Phaedrus zugeschrieben, der zu den Regierungszeiten der Kaiser Augustus, Tiberius, Caligula, Claudius und Nero gelebt hat.)

Was ist eigentlich Segen?

Im Segen kommt Gott den Menschen nah. Segen trifft den Menschen im Inneren, tief in der Seele. Segen gehört in die Kirche, jeder Gottesdienst in einer Kirche endet mit dem Segen.
Genauso gehören Segen und Segnen in den Alltag. Denn sie tun gut. Menschen erleben Segen auch jenseits von Kirchenmauern: als Segensworte, Segenshandlungen, Segensgesten. Neu ein Beispiel: der Abschiedsgruß "Ade" kommt eigentlich aus dem Französischen "Adieu" - und heißt übersetzt: "mit Gott". Wer also zum Abschied Ade sagt, der sagt einen Segenswunsch für den Scheidenden.

Leben bringt Veränderungen mit sich:
Wir ziehen um, nehmen neue Arbeitsstellen an, finden neue Lebenspartner, müssen uns mit Krankheiten und Schwächen arrangieren. Die vielfältigen Neuanfänge lassen in uns die Sehnsucht wachsen: Möge der neue Lebensabschnitt gelingen! Hoffentlich bleibe ich in den Neuerungen meines Lebens vor persönlichem Scheitern bewahrt! Jeder Anfang birgt unendlich viel Risiko in sich. Aber der Aufbruch steht unter dem Segen Gottes, wie das ganze Leben. Gott sagt: „Ich will dich segnen – und du sollst ein Segen sein!“ (1. Mose 12,2)

Segen bedeutet vor allem Wegbegleitung. Menschen spüren: „Ich werde gesegnet – und Gott geht auf meinem Weg mit.“ Segen besteht im „Mit-Sein“ des allmächtigen Gottes.
Manche erleben den Segen als Schutz oder Ermutigung, andere als Freude oder Trost und Kraft in schwerer Zeit. Das Ziel mag weit entfernt und undeutlich sein – aber Gott selbst begleitet die Menschen auf ihrem Weg.

Im Lateinischen heißt segnen „benedicere“ – wörtlich übersetzt: gut sagen oder loben. Segnen heißt, ein Wort zu sagen, das heilt, tröstet und Versöhnung stiftet. Segen redet nicht schön. Sondern Segen öffnet die Augen für einen anderen Blick. Hinter dem Vordergründigen des Lebens gibt es eine andere Dimension. Und wer gesegnet wird, hört: „Gott sei gelobt für dich. Gut, dass es dich gibt.“

Solch ein Segen gibt sich selbst weiter, bleibt nicht bei sich stehen. Menschen werden für andere zu einem Segen: durch ihre Worte, ihren Rat oder manchmal auch durch ihren Widerspruch. Sie helfen anderen durch Freundlichkeit, durch Nähe oder auch durch ihre Kritik, sie bringen andere Menschen auf dem Lebensweg ein Stückchen weiter.

Wer darf segnen?

Schon aus dem letzten Abschnitt wurde klar: jeder Gesegnete gibt Segen weiter. Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein – das sind sozusagen zwei Seiten derselben Medaille.

Man muss zum Segnen kein Pfarrer sein. Jeder Christ kann segnen und ein Kreuz dazu schlagen. Und er muss keine Zweifel haben, ob er dessen würdig oder fähig ist. Denn die Kraft des Segnens beruht nicht auf der Vollkommenheit des Menschen, der den Segen mitteilt, sondern auf Gottes Zusage, die ihn autorisiert. Der Segen ist darum auch nicht so schwach, wie der Mensch, der ihn spricht, sondern so stark wie der Gott, von dem er kommt. (Diese Sätze stammen von Thomas Gerlach, evangelischer Pastor, von seiner Webseite: evangelischer-glaubenskurs.de)

Wer jemanden segnet, der sagt ihm zu, dass Gott mit ihm ist. Wie Gott dann handelt – das steht auf einem anderen Blatt. Ich erinnere an die Geschichte der beiden Engel: es fühlte sich an, als ob die armen Bauersleute eher den Fluch abbekommen haben als den Segen und die reichen Leute wurden belohnt, weil sie keine Handwerkerkosten zahlen mussten. Aber das Gegenteil war der Fall: wäre nicht die Kuh gestorben, dann wäre es die Frau gewesen. Und ob das Geld in der Wand nicht den Charakter der ohnehin schon unfreundlichen reichen Leute verdorben hätte, das wissen wir auch nicht.

Ich möchte Ihnen einen meiner liebsten Bibelverse mitteilen: Paulus schreibt an die Römer: „Wir wissen aber, dass denen die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“ (Römer 8, 28).
Ich interpretiere das so: wenn ich jemanden segne, dann werde ich für diesen Menschen zum Kanal, durch den Gottes Kraft auf ihn überfließen kann. Das, was dann passiert, wird diesem Menschen zum Besten dienen – auch dann, wenn es vordergründig anders aussehen mag. Ein Segen ist etwas anderes als eine Fürbitte. In der Fürbitte kann ich mir für jemanden etwas wünschen – und darauf hoffen, dass Gott meine Bitte erfüllt. Im Segen stelle ich den Menschen unter Gottes Macht, und vertraue darauf, dass Gott diesen Menschen begleitet, mit ihm ist. Wenn derjenige das will.

Aber was ist, wenn nichts gut ist?

Es gibt Lebenssituationen, in denen es uns die Sprache verschlägt. Wir wissen nichts auf die Diagnose einer unheilbaren Krankheit zu antworten, es gibt Schicksalsschläge, die schwer oder gar nicht zu verstehen sind. Wenn Kinder vor den Eltern sterben, wenn liebe Angehörige von uns gehen, wenn Eltern mit ansehen müssen, wie ihr geliebtes Kind einen vermutlich schlechten Weg einschlägt.
Es gibt Situationen, in denen ist gar nichts gut. Wir kennen das aus unserem eigenen Erleben, aber auch im Großen: Länder bekämpfen sich, Terror und Bürgerkrieg führen zu Verletzten und Toten. Der Hunger in der Welt stellt uns vor globale Aufgaben. Der Klimawandel scheint unumkehrbar. Und Corona stellt die Angst vor unheilbaren Krankheiten auf eine neue Stufe.

Was also ist, wenn nichts gut ist?
Gibt es dann keinen Segen?

Doch – es gibt Segen.
Allerdings: Ein Segen ist kein Zauberspruch. Der allmächtige Gott lässt sich nicht kontrollieren oder benutzen. Es ist nicht der Segen, der eine missliche Lage beendet. Sondern das Segnen bringt den Gesegneten unter die heilende Macht Gottes. Segen besteht im Mit-Sein Gottes.

Segen ist eine Zusage. Ein Versprechen Gottes: „ich bin da!“ Auch und gerade an den Bruchstellen des Lebens. Segen tröstet. Segen macht Mut. Segen lässt spüren, dass Gott mitgeht. Auch durch die dunklen Täler des Lebens. Im bekannten Psalm 23 heißt es: und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn du bist bei mir.
Dunkle Täler, schwierige Zeiten, seelische und körperliche Verletzungen, Umwege und Irrwege können wir nicht vermeiden, sie gehören zum Leben dazu. Es wird immer Fragen geben, auf die wir keine Antwort finden, es wird immer eine dunkle Nacht zum Durchleben geben. Und immer die Hoffnung auf das Licht des Morgens – das ist Segen.

Meine beiden scheidenden Mitarberinnen hatten sich für diese Woche eigentlich das Thema "Anker" gewünscht. Das habe ich aber sowohl auf dem Blog als auch in der Abendandacht vor kurzem erst bearbeitet. Gottes Mit-Sein kann wie ein Anker sein, den wir mit uns auf dem Schiff führen - wir werden ihn nicht immer brauchen, es gibt viele Situationen, in denen wir halbwegs allein klar kommen werden - aber dann und wann bei Gott einmal zu ankern, das kann nicht schaden.

Bewahre uns Gott, behüte uns Gott, sei mit uns auf unsern Wegen.
Sei Kompass und Wind, wo wir auch sind, sei um uns mit deinem Segen.

Bewahre uns Gott, behüte uns Gott, sei mit uns, wie wir auch heißen.
Sei Anker und Land, sei schützende Hand, sei um uns auf allen Reisen.

Bewahre uns Gott, behüte uns Gott, sei mit uns mit deinem Segen.
Dein Heiliger Geist, der Leben verheißt, sei um uns auf unsern Wegen. Amen

Und ihr, liebe Blogleserinnen und Blogleser: wie ist das mit euch? Wann fühlt ihr euch gesegnet? Ist das etwas Wichtiges für euch? Oder lässt euch ein Segenswunsch kalt? Schreibt mir gerne eure Erfahrungen und Gedanken - in den Kommentaren oder als Mail! Ich freue mich, von euch zu hören!
 
Jetzt zeigt sich wieder der Flaschenpost-Charakter des Internets: Wer die Botschaft bekommt, die ich ins weltweite Meer des Internets werfe, das weiß ich nicht. Ich würde euch gerne segnen, ich würde euch gerne zusprechen, dass Gott mit euch ist. Aber das ist über dieses Medium furchtbar anonym. Aber genauso, wie sich der allmächtige Gott nicht als magischer Zauberspruch missbrauchen lässt, genau so lässt er sich auch nicht einengen durch Anonymität oder elektronischen Kontakt. Er ist nahe - denen, die ihn von Herzen suchen. Das zu wissen, kommt einem Segen gleich!
 
Bleibt behütet!
Eure Monika vom Treffpunkt Urlauberseelsorge

 

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